IHK-Konjunkturumfrage mit leichter Entspannung und Luft nach oben

Die Unternehmen in M-V sind wieder zuversichtlicher als noch im Herbst 2022, der einen historischen Tiefstwert markierte. Um jetzt die Chancen M-Vs zu nutzen, braucht es mehr Geschwindigkeit, z.B. bei Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie, zeigt die Frühjahrskonjunkturumfrage der IHKs in M-V unter 6.747 Unternehmen des Landes.

„Die Wirtschaft drohte in die Rezession zu rutschen, hat sich aber besser behauptet als es einzelne Frühindikatoren signalisierten. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich glücklicherweise so nicht bewahrheitet: Die Stabilisierungsmaßnahmen der Bundesregierung in Form der drei Entlastungspakete und die – zwar im Dezember 2022 spät – beschlossenen Energiepreisbremsen sowie der bislang relativ milde Winter haben dazu beigetragen. Allerdings zeigt die aktuelle Umfrage, dass sehr viele Betriebe immer noch nicht einschätzen können, wie stark die tatsächlichen Entlastungen letztlich ausfallen werden“, fasst Thorsten Ries, Hauptgeschäftsführer der geschäftsführenden IHK zu Rostock der IHKs in MV ein wesentliches Ergebnis der Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern in M-V zusammen. Das heiße aber nicht, dass während der vergangenen beiden Krisenjahre mit Coronaeinschränkungen und Energieversorgungsrisiken alles optimal gelaufen sei. „Wir können froh sein, dass nicht alles ganz so schlimm gekommen ist wie befürchtet“, sagt Thorsten Ries. Es sieht besser aus als vor einem halben Jahr, aber „weniger schlecht als befürchtet heißt nicht gleich gut, von einer guten Stimmung in der Wirtschaft können wir bei weitem noch nicht reden“. „Es gibt noch sehr viel Luft nach oben!“ so Thorsten Ries und „wir müssen noch dicke Bretter bohren“.

Energie- und Rohstoffpreise bereiten den Unternehmen Sorgen
Größter Sorgenfaktor für die gewerbliche Wirtschaft im Land bleiben die Energie- und Rohstoffpreise. Mit 78 Prozent liegt der Wert nur zwei Prozentpunkte unter den Werten der Vorumfrage vom Herbst 2022. Noch vor zwei Jahren war dies für lediglich jedes dritte Unternehmen eine relevante Problemkategorie. Besonders stark betroffen sind erwartungsgemäß die Industrie (87 Prozent) und das Verkehrsgewerbe (89 Prozent). Hier stellen die Aufwendungen für Energie einen relativ großen Teil der Gesamtkosten dar. Es verwundert daher nicht, dass die Befragten zuerst die ‚Einsparung von Energie‘ als Reaktion auf die hohen Strom-, Gas- und Kraftstoffpreise nennen (72 Prozent), gefolgt von der ‚Kostenweitergabe an Kunden’ (57 Prozent). Dies gelingt in den Branchen unterschiedlich gut, so können technologiebedingt nur 65 Prozent der Verkehrsbetriebe mit Einsparmaß-nahmen reagieren. Dafür geben 70 Prozent der Logistiker an, die gestiegenen Preise an ihre Kunden weiterzugeben. In den anderen Branchen schaffen dies nur 55 Prozent. Ein Drittel aller befragten Firmen gibt an, in der Folge Investitionen zurückzustellen.

Viele Bauvorhaben zurückgestellt
Steigende Materialkosten und ansteigende Kreditzinsen infolge der Zinswende der EZB bremsen die Bauwirtschaft, so dass viele Bauvorhaben zurückgestellt oder storniert wurden bzw. werden. Verhalten stellt sich auch die Situation im Handel und im Verkehrsgewerbe dar, denn selbst wenn sich das Konsumklima sukzessive verbessern sollte und mit einer steigenden Anschaffungsneigung einherginge, werden sich diese Effekte erst zeitverzögert auf den Handel auswirken.

Der hohe Energiekostenanteil in der Verkehrs- und Logistikbranche belastet die Betriebe stark. „Das“, so Thorsten Ries, mache deutlich, wie wichtig es sei, mit der Energiewende voranzukommen. Hier sei das Flächenland MV mit viel Wind und Wasser an der Kaikante ganz besonders gefordert. „Alles, was eine schnellere Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen und weniger Bürokratie ermöglicht, ist eine gute Investition in die Zukunft“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Da gebe es gewiss keine Zauberformel, aber der Blick in andere Länder zeige, was möglich sei. Die IHKs böten sich gegenüber der Politik als konstruktiver Partner an, aber, so Ries: „Wir sind auch aufmerksamer Beobachter und schauen genau hin, wie schnell Prozesse tatsächlich umgesetzt werden.“ Es sei wichtig, dass M-V und die regionale Wirtschaft die Standortvorteile nutzen, gerade auch um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu brauche es ausreichend Personal.

Personalknappheit zusätzliche Last
Angesichts der branchenübergreifenden Personalknappheit erweist sich die Sicherung der Belegschaften für viele Betriebe als unabdingbar. Dies zeigt sich auch daran, dass der Fach- (und Arbeits-) Kräftemangel von 56 Prozent der Betriebe als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung eingeschätzt wird – nach den Energie- und Rohstoffpreisen. Der Mangel an qualifiziertem Personal liegt damit auf dem Niveau der Befragung vor dem russischen Angriffskrieg und fast auf der Höhe der Vor-Coronawerte vom Jahresbeginn 2020. Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung führen nicht nur unmittelbar zu entgangenen Aufträgen, Mehrbelastungen der Belegschaft und steigenden Arbeitskosten, sondern stellen die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft grundsätzlich vor eine große Heraus-forderung: Ohne Fachkräfte werden die Energiewende, die Digitalisierung und der notwendige Infrastrukturausbau nur schwer zu bewältigen sein.

Regionale Wirtschaft in MSE sieht Licht am Horizont
Auch die gewerbliche Wirtschaft in der Mecklenburgischen Seenplatte und Vorpommern-Greifswald ist wieder zuversichtlicher. „Die Stimmung hat sich merklich aufgehellt“, sagt Ralf Pfoth, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg für das östliche Mecklenburg-Vorpommern. Die Belastungen seien wegen der hohen Energie- und Rohstoffpreise, der Inflation und auch des Fachkräftemangels weiterhin enorm. Die regionale Wirtschaft sehe aber nicht mehr so schwarz wie noch vor vier Monaten.

Die aktuelle Konjunkturumfrage unter 872 Unternehmen der Region machen Mut: So berichten deutlich mehr als drei Viertel der befragten Firmenchefs von „befriedigenden“ und „guten“ Geschäften (88 Prozent), nur noch zwölf Prozent von „schlechten“. Damit hat sich die Zahl der Unternehmen, die ihre Lage als „schlecht“ bewerten, seit dem vergangenen Herbst um sechs Prozent verringert. Zwar blicken 33 Prozent immer noch eher pessimistisch in die Zukunft, in der Vorumfrage waren dies aber knapp doppelt so viele.

Gründe für die positive Entwicklung sind aus Sicht der IHK Neubrandenburg die sich seit Herbst stabil entwickelte gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland, der milde Winter, der für eine Entspannung auf den Energiemärkten sorgt und die beschlossenen Energiepreisbremsen der Bundesregierung. „Damit die konjunkturelle Erholung nicht im Keim erstickt wird, fordern wir die Politik auf, mit einem Belastungsmoratorium die personellen und finanziellen Ressourcen der Unternehmen nicht weiter zu strapazieren. Außerdem muss im Zuge einer Reform der Verteilnetzentgelte erreicht werden, dass unsere Region von hohen Netzentgelten entlastet wird, die sich aus dem Ausbau der Erneuerbaren Energien ergeben“, fordert Ralf Pfoth.

Die Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage und der Konjunkturaussichten regen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in der Kammerregion an. Investitionen, die sie im vergangenen Herbst zurückgestellt hatten, werden laut Umfrage wieder angegangen. Die Investitionssummen liegen dabei deutlich über dem geplanten Niveau aus der Vorumfrage. Konkret heißt das: 60 Prozent der geplanten Investitionen belaufen sich aktuell auf mehr als 10.000 Euro. Hinzu kommt, dass die steigenden Zinsen den Unternehmen zusätzlichen Anreiz geben, notwenige Investitionen nicht weiter aufzuschieben.

Neben den Energie- und Rohstoffpreisen als Hauptrisiko für die weitere Geschäftsentwicklung bleibt mit Abflauen der Krisenstimmung auch der Arbeits- und Fachkräftemangel ein Sorgenkind der regionalen Wirtschaft. Nach dem vorliegenden Referentenentwurf für die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes werden nach Auffassung der Kammer einige Forderungen der Unternehmen für eine erleichterte Fachkräfteeinwanderung zwar umgesetzt. So soll zum Beispiel eine Fachkraft mit anerkannter Berufsausbildung aus einem Drittstaat in Deutschland jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können. „Bedauerlicherweise werden aber die Verfahren noch komplizierter. Des Weiteren enthalten die geplanten Regelungen zahlreiche Ungereimtheiten und wichtige Dinge wie die Beschleunigung der Visaverfahren werden nicht angegangen“, kritisiert der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg für das östliche M-V.

Ergebnisse der Konjunkturumfrage der IHK Neubrandenburg

www.neubrandenburg.ihk.de

 

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