Unter erschwerten Rahmenbedingungen hat die Tourismusbranche in M-V eine gute Sommersaison geschafft. Dies zeigen die Ergebnisse der Saisonumfrage 2022 mit mehr als 450 Beteiligten. Der Landestourismusverband (TMV) rechnet insgesamt mit bis zu fünf Millionen Gästen, die im Zeitraum der Sommerferien in den deutschen Bundesländern zwischen Ostsee und Seenplatte übernachteten. Nachfrage und Auslastung waren vielerorts hoch, Einschränkungen gab es teilweise im Landesinneren und in Bereichen wie der Gastronomie oder der Kultur.
Wie aktuelle Zahlen des Statistischen Amtes zeigen, konnte im ersten Halbjahr mit 12,2 Millionen statistisch erfassten Übernachtungen ein deutlich besseres Ergebnis verbucht werden als in den beiden Corona-geprägten Vorjahren (2020: 7,9 Millionen, 2021: 4,5 Millionen). Zwar hat die Branche zwischen Januar und Juni nicht das bisherige Spitzenergebnis an Übernachtungen des ersten Halbjahres 2019 (13,5 Millionen) erreichen können, liegt aber klar über dem Niveau von 2018 (11,8 Millionen).
Birgit Hesse, Präsidentin des Tourismusverbandes M-V, ergänzte: „Unter anderem Preissteigerungen, Personalprobleme und die Pandemie machen der Branche zu schaffen. Volle Strände und ein breites Freizeitangebot brachten vor dem Hintergrund einer kontrollierten Pandemie-Lage im Sommer vordergründig so etwas wie Normalität zurück. Der Ausblick auf den Herbst ist jedoch getrübt und macht deutlich, wie stark der Tourismus von äußeren, insbesondere gesellschaftlichen und politischen Einflüssen geprägt ist. Deshalb ist es wichtig, dass vor allem Infektionsschutzregeln für die Herbst- und Wintermonate auf ein notwendiges und effektives Maß beschränkt bleiben, so wie es der Deutsche Tourismusverband mit den führenden Tourismusverbänden kürzlich und der TMV bereits im Juni forderte.“
Momentaufnahme: Branche mit Hauptsaison zufrieden
Laut der Saisonumfrage des Landestourismusverbandes unter mehr als 450 Unternehmen, darunter Beherberger, Gastronomiebetriebe, Freizeit- und Wassertourismusanbieter sowie Verkehrsträger, zeigt sich, dass die Auslastung der angebotenen Kapazitäten auch in diesem Sommer hoch war: Für Juli lag sie mit durchschnittlich 87 Prozent etwas höher als im August mit rund 80 Prozent. Auffällig ist der mit dem Ende der Sommerferien in den Bundesländern einhergehende Rückgang der Nachfrage. So beträgt der Vorbuchungsstand für September rund 54 Prozent, die erwartete Auslastung liegt bei rund 65 Prozent. Für den Oktober werden aktuell nicht mehr als 50 Prozent Auslastung erwartet.
Dennoch schätzt laut Umfrage knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) die aktuelle wirtschaftliche Lage noch als sicher bzw. sogar sehr sicher ein, 38 Prozent verhalten sich neutral. Alarmierend: 14 Prozent stufen ihren Betrieb als gefährdet oder akut gefährdet ein.
Bei der Frage, wie die Teilnehmer die derzeitige Marktlage für ihr Unternehmen bewerten, sagten 40 Prozent, dass sie diese als vorteilhaft beziehungsweise sehr vorteilhaft verstehen. 36 Prozent schätzen die aktuellen Rahmenbedingungen als neutral ein; bereits 24 Prozent sehen sie als herausfordernd beziehungsweise sehr herausfordernd an. „Der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die noch immer anhaltende Pandemie mit ungewissem Ausmaß in den Herbst- und Wintermonaten führen bei vielen Unternehmen zu großen Unsicherheiten. Dies macht uns große Sorgen. Wenn der Tourismus wackelt, hat das in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern, in dem jeder fünfte Arbeitsplatz daran hängt, unmittelbaren Einfluss auf die verwandten Branchen“, erklärte der Tourismusbeauftragte des Landes, Tobias Woitendorf.
Hohe Gästezufriedenheit
Die Gästezufriedenheit ist laut Umfrage über alle Bereiche hinweg hoch – das konstatierten mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Befragten. Lediglich sieben Prozent erkennen eine niedrige beziehungsweise sehr niedrige Gästezufriedenheit. Besonders hoch zeigt sich die Zufriedenheit der Gäste bei den wassertouristischen Anbietern (sehr hoch/hoch: 92 Prozent), bei den Beherbergungsbetrieben (sehr hoch/hoch: 82 Prozent) und bei den Gastronomiebetrieben (sehr hoch/hoch: 74 Prozent). Merklich geringer wird diese bei den Verkehrsträgern/Mobilitätsanbietern eingeschätzt. Nur jedes zweite Unternehmen spricht hier von zufriedenen Gästen. „Die Unzufriedenheit bei den Verkehrsträgern ist auf die Unsicherheiten im Zuge der Einführung des 9-Euro-Tickets zurückzuführen. Hier kam es insbesondere auf den Strecken aus den Metropolen Hamburg und Berlin nach M-V zu Überlastungen, die kurzfristig nicht abgefedert werden konnten“, sagte Tobias Woitendorf. „Eine Nachfolgelösung zum 9-Euro-Ticket wird gebraucht. Wir brauchen einen tragfähigen und nachhaltigen Vorschlag vom Bund, den auch die Länder mittragen können. Dieser muss dauerhaft finanziell abgesichert sein. Wer in unser Tourismusland kommt, will planbar reisen können. Dazu zählt auch eine ausfinanzierte Nachfolgeoption zum 9-Euro-Ticket“, forderte Wirtschafts- und Verkehrsminister Reinhard Meyer.
Drei Viertel halten 9-Euro-Ticket für irrelevant
Das in diesem Sommer von vielen Bürgern genutzte 9-Euro-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr sehen drei Viertel der Befragten als für ihren Betrieb irrelevant an; 18 Prozent bewerten die Auswirkungen als positiv, sechs Prozent negativ. „Das Ticket hat seine zusätzlichen Wirkungen vor allem im Nahverkehr. Touristisch gibt es Nachholbedarf bei Linien, Takten und Frequenzen. Die bestehenden Verbindungen in die Tourismusregionen waren auch vor der Einführung des 9-Euro-Tickets stark gebucht. Um nachhaltiger zu werden, braucht es für eine Neuauflage eine stärkere Betrachtung touristischer Ströme“, sagte Woitendorf.
Immerhin 55 Prozent der Befragten konstatierten gleichwohl eine positive Auswirkung auf die Gästezahlen; 31 Prozent sahen positive Effekte auf den Umsatz.
Preise um rund ein Viertel im Vergleich zur Vor-Corona-Ära gestiegen
Erneut macht die Umfrage einen Preisanstieg in der Hauptsaison im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich: So gaben die Befragten einen durchschnittlichen Anstieg von rund elf Prozent an, bei den Beherbergern waren es ebenfalls elf Prozent, bei den Gastronomen 15 Prozent, bei den Freizeitanbietern knapp zehn Prozent, im Wassertourismus 13 Prozent und bei den Verkehrsträgern rund 30 Prozent. Im Vergleich zu 2019 sind die Preise in der Hauptsaison (Juli bis September) damit um rund ein Viertel gestiegen. „Wenn die Preise für den Urlaub kostenbedingt weiter steigen, ist zu befürchten, dass das Geld für den Herbst- oder Winterurlaub fehlt“, sagte Birgit Hesse.
„Für steigende Preise gibt es vielfältige und sicherlich auch nachvollziehbare Gründe. Sie müssen vor allem den Gästen gut erklärt werden. Preissteigerungen sind für Kunden schmerzhaft, da sie Urlauber auch vom Wiederkommen abhalten können. Deshalb ist hier vor allem in der Kommunikation viel Fingerspitzengefühl gefordert. Entscheidend ist und bleibt ein Preis-Leistungs-Verhältnis, das die Kunden akzeptieren“, sagte Tourismusminister Reinhard Meyer.
Gäste gaben weniger aus
Der Preisanstieg führt über alle befragten Akteure hinweg dazu, dass Gäste schon jetzt weniger Geld in ihrem Urlaub ausgaben – das sagten 71 Prozent. 24 Prozent gaben an, dass die Gäste genauso viel Geld investierten wie im Vorjahreszeitraum; fünf Prozent sogar mehr. Besonders die Verkehrsträger (67 Prozent), die Freizeit- und Erlebnisanbieter (79 Prozent) und die Tourist-Informationen (81 Prozent) sagten, dass ihre Gäste etwas weniger beziehungsweise viel weniger Geld ausgaben.
Jedes zweite Unternehmen von Arbeitskräftemangel betroffen – die meisten Mitarbeiter fehlen im Service
Rund jedes zweite Unternehmen (49 Prozent) leidet laut Umfrage unter dem Arbeitskräftemangel. Im Einzelnen sind die touristischen Akteure wie folgt betroffen: Beherberger zu 55 Prozent, Gastronomen zu 58 Prozent, Freizeitanbieter zu 38 Prozent, Tourist-Informationen zu 25 Prozent, Verkehrsträger zu 100 Prozent und wassertouristische Betriebe zu 31 Prozent. Service, Housekeeping und Küche sind die Unternehmensbereiche, die am meisten vom Arbeitskräftemangel betroffen sind.
„Die Fachkräftesicherung im Tourismus ist eines der drängendsten Herausforderungen der Branche. Das belegt auch die Umfrage. Wir wollen vor allem auch deshalb eine Tourismusakademie in Mecklenburg-Vorpommern aufbauen mit dem Ziel, Fachkräfte für unser Land auszubilden, zu qualifizieren und auch hier zu halten. Das geht nur zusammen mit der Wirtschaft im Land. Darüber hinaus können Qualifizierungsmaßnahmen der unterschiedlichen Akteure im Land vernetzt und auch optimiert werden“, sagte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer.
Der Arbeitskräftemangel wird dabei zunehmend zum wirtschaftlichen Risiko für die Unternehmen – das gaben 59 Prozent der Befragten an. Besonders in der Gastronomie (64 Prozent), bei den Verkehrsträgern (67 Prozent) und im Wassertourismus (75 Prozent) wurde der Arbeitskräftemangel als hohes beziehungsweise sehr hohes Risiko für die wirtschaftliche Standfestigkeit gesehen.
Im Einzelnen können nur 15 Prozent der Befragten ihren Bedarf an Vollzeitkräften komplett decken, 48 Prozent teilweise, 28 Prozent zum geringen Teil, neun Prozent gar nicht. Den Bedarf an Teilzeitkräften können sechs Prozent der Befragten komplett, 44 Prozent teilweise, 37 Prozent zum geringen Teil und 13 Prozent gar nicht decken. Den Bedarf an Auszubildenden kann nur 15 Prozent komplett, 20 Prozent teilweise und nur jedes dritte Unternehmen (36 Prozent) zum geringen Teil decken, 28 Prozent gar nicht. Auch für Aushilfskräfte gibt es Bedarf: Nur sieben Prozent können den Bedarf komplett decken, 31 Prozent teilweise, 42 Prozent zum geringen Teil und jedes fünfte Unternehmen gar nicht.
Unter Federführung des Wirtschaftsministeriums wird eine Fachkräftestrategie für Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet. „Es geht darum, die Veränderungen der Wirtschaft und Arbeitswelt nachhaltig zu gestalten“, betonte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Meyer. Die Fachkräftestrategie soll vier Säulen umfassen: die Qualifizierung von Fachkräften, die Sicherung und Ausschöpfung von Erwerbspotenzialen, die Gewinnung von Fachkräften aus dem In- und Ausland sowie die Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen im Land. In einem rund 40-köpfigen Expertenbeirat wird die Strategie erarbeitet. Der Beirat setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Bundesagentur für Arbeit, von Unternehmensverbänden und Kammern, Gewerkschaften sowie einzelnen Unternehmen mit Interesse an Fachkräftethemen und Netzwerkpartnern zusammen.
Kultur- und Freizeitformate in Konsolidierungsphase – hohe mediale Aufmerksamkeit dank der Jubiläen
In der Kultur- und Veranstaltungsszene zeichnet sich ebenfalls ein differenziertes Bild ab. Ein Teil von etablierten Reihen befindet sich in einer Konsolidierungsphase und ist mit zum Teil veränderten Konzepten auf dem Weg, an die Besucherzahlen vor der Pandemie anzuknüpfen. Ein anderer Teil verlor über die Pandemie hinweg Besucher. Große Aufmerksamkeit, vor allem auch medial, erlangte die Exklusiv-Residenz des New York Philharmonic im Mai dieses Jahres auf Usedom, bei der 5.400 Besucher begrüßt werden konnten. Drei der fünf Veranstaltungen, darunter drei Peenemünder Konzerte im Kraftwerk des Historisch-Technischen Museums Peenemünde, waren ausverkauft. Die etwa 110 Musikerinnen und Musiker spielten unter der Leitung von Jaap van Zweden in Peenemünde, Heringsdorf und Wolgast. Zudem traten die Solisten Anne-Sophie Mutter, Thomas Hampson und Jan Lisiecki auf.
Das Usedomer Musikfestival, das in diesem Jahr vom 17. September bis 08. Oktober stattfindet, begrüßte Besucher aus ganz Europa und den USA, und erreichte medial ein Millionenpublikum.
Auf der Hanse Sail vom 11. bis 14. August etwa konnten 400.000 Gäste begrüßt werden (vgl. 2019: 450.000 Besucher). Das neue Konzept sah in diesem Jahr 33 räumlich verteilte Erlebnisbereiche vom Rostocker Stadthafen bis zum Seebad Warnemünde vor. Allerdings fehlte fast die Hälfte der Schiffe, darunter die russischen.
Das Mecklenburgische Staatstheater vermeldet bei den Schlossfestspielen einen Besucherstand auf Vorjahresniveau (2022: 17.500 Besucher; vgl. 2019: 30.200). Auch hier gab es ein neues Konzept: Statt einer großen Musiktheaterinszenierung auf dem Alten Garten und einer Schauspielproduktion im Schlossinnenhof haben die Veranstalter auf Vielfalt gesetzt und ein Programm mit allen sechs Sparten an unterschiedlichen Spielorten aufgelegt. Neu war beispielweise der Aufführungsort „Schwimmende Wiese“ im Schlosspark.
Das Volkstheater Rostock vermeldete eine 90-prozentige Auslastung der Musical-Aufführungen in der Halle 207; der Zuspruch für „Heat Wave – Das Musical mit den Hits der frühen 80er“ sei enorm gewesen, hieß es.
Die Störtebeker Festspiele konnten in diesem Jahr nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause wieder stattfinden; eine Bilanz steht noch aus.
Bei der siebten Auflage des Fahrrad-Events Velo Classico fuhren rund 200 Radler in Retrokleidung durch die Mecklenburgische Seenplatte; dies entspricht der Hälfte der Besucheranzahl gegenüber dem Jahr 2019. Der Rückgang der Teilnehmer um 50 Prozent zieht Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nach sich.
Die Hansestadt Wismar zeigte sich zufrieden mit dem Theatersommer 2022, den 4.000 Gäste erlebten. Der Welterbetag mit zentraler Eröffnungsveranstaltung in Wismar fand großen Zuspruch; ebenso die Sonderausstellung im Welt-Erbe-Haus anlässlich des Jubiläums „20 Jahre Welterbe Wismar“, die jetzt in der zweiten Jubiläumsstadt Stralsund gezeigt wird. Die Führungen, die im Rahmen des Nosferatu-Jubiläums veranstaltet wurden, waren ausverkauft, hieß es von der örtlichen Tourist-Information. Das Jubiläum anlässlich des 200. Geburtstages von Heinrich Schliemann führte zu mehr Aufmerksamkeit sowohl für die Ausstellung in der Gedenkstätte in seinem Geburtsort Neubukow als auch im Schliemann-Museum in Ankershagen.
Mit neuen Formaten wie dem Inklusionsfestival „all inklusive“ oder „Kühlungsborn Tanzt“ tut sich etwas im Veranstaltungskalender im Nordosten.