IHK-Konjunkturumfrage: Große Ängste bei noch guter Lage

Die Geschäftslage der gewerblichen Wirtschaft in MSE und VG hat sich im Vergleich zum Frühsommer 2022 nochmals etwas eingetrübt. Das geht aus der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage hervor. Befragt wurden rund 900 Unternehmen der Industrie, des Baugewerbes, des Handels, der Dienstleistungen, des Verkehrs- und Gastgewerbes. Annähernd ein Drittel der Unternehmen hat geantwortet.

Der Anteil an Unternehmen, die ihre Geschäftslage als „gut“ bezeichnen, ist ungefähr konstant geblieben, aber mehr Unternehmen schätzen ihre Lage nun als „schlecht“ ein. Die gute Auslastung der Betriebe stützt die Lagebeurteilung.

„Die Erwartungen der Unternehmen für die kommenden zwölf Monate spiegeln die große Unsicherheit der Unternehmen angesichts des Ukrainekrieges, der Energiekrise und der drohenden Rezession wider. Zwei von drei Unternehmen erwarten eine Verschlechterung ihrer Geschäftsentwicklung und nur noch vier Prozent erwarten eine Verbesserung. Eine so negative Erwartung hatte es selbst in der Finanzkrise 2009 nicht gegeben“, stellt Torsten Haasch, Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg für das östliche Mecklenburg-Vorpommern, fest.

Die Unternehmen sehen sich einer Vielzahl von Risiken ausgesetzt. 89 Prozent der Unternehmen sehen ihre Geschäfte durch die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise bedroht. Jedes vierte Unternehmen versucht durch Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz gegenzusteuern. 15 Prozent der Unternehmen steigen auf andere Energieträger um. Eine Reduktion der Produktion oder ihres Angebots erwägen 18 Prozent der Unternehmen. An zweiter Stelle unter den Geschäftsrisiken steht der Fachkräftemangel. 45 Prozent der Unternehmen können offene Stellen längerfristig nicht besetzen.

Die pessimistischen Erwartungen, die stark gestiegenen Kosten und die damit verbundene schlechtere Gewinnlage halten viele Unternehmen davon ab, Investitionen zu planen und schon geplante Investitionen werden zurückgestellt.

Die Entwicklung in den Branchen
In der Industrie bezeichnen 89 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als „gut“ oder „befriedigend“. Die Nachfrage nach Industrieprodukten ist weiterhin hoch. Zwei von drei Unternehmen bezeichnen ihre Auftragslage als „gut“ und nur drei Prozent sind mit ihr unzufrieden. Auf die kommenden zwölf Monate blickt die Industrie mit großer Sorge. Für fast alle Unternehmen stellt die Entwicklung der Energiepreise ein Geschäftsrisiko dar und die Entwicklung der Rohstoffpreise wird ähnlich problematisch für die Geschäftsentwicklung eingeschätzt. Zunehmende Schwierigkeiten sehen die Unternehmen auch beim Absatz ihrer Produkte.

Die Geschäftslage wird von den Bauunternehmen sehr positiv beurteilt. Etwa vier von fünf Unternehmen sprechen von einer „guten“ Lage. Ähnlich sieht es aus bei der Auftragslage. Aufgrund der aktuell guten Lage sieht das Baugewerbe weniger pessimistisch auf die kommenden zwölf Monate als die gewerbliche Wirtschaft im Durchschnitt. Sie befürchten zwar zum Teil einen Rückgang ihrer Nachfrage im Zuge der konjunkturellen Abschwächung, so dass sich dann die Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energie nicht mehr so leicht wie bisher an die Kunden weitergeben ließen. Der in dieser Branche besonders große Fachkräftemangel treibt die Arbeitskosten in die Höhe.

Im Handel überwiegen die positiven Stimmen leicht gegenüber den negativen bei der Lagebeurteilung. Dabei fällt die Lagebeurteilung im Großhandel besser als im Einzelhandel aus. Die Erwartungen der Handelsunternehmen für die kommenden zwölf Monate sind im Vergleich zur gewerblichen Wirtschaft insgesamt überdurchschnittlich negativ. 78 Prozent der Unternehmen erwarten schlechtere und nur vier Prozent bessere Geschäfte.

Die Dienstleistungsunternehmen beurteilen ihre Geschäftslage überwiegend positiv, aber nicht mehr ganz so positiv wie noch im Frühsommer 22. Dabei bewerten unternehmensnahe Dienstleister ihre Lage etwas besser als konsumnahe. Die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate haben sich auch bei den Dienstleistern erheblich gegenüber der Vorumfrage verschlechtert.

Im Verkehrsgewerbe wird die Geschäftslage am schlechtesten von allen Branchen beurteilt. So gut wie alle Verkehrsunternehmen sind von den Energiepreissteigerungen betroffen. 58 Prozent der Unternehmen können diese weitgehend an ihre Kunden weiterreichen, das sind weniger als im Baugewerbe oder der Industrie.  Für die kommenden zwölf Monate erwartet knapp ein Drittel der Unternehmen eine gleichbleibende Geschäftsentwicklung, knapp zwei Drittel erwarten eine Verschlechterung.

Während der Sommersaison hatte das Gastgewerbe eine gute Auslastung, so dass sich die wirtschaftliche Lage verbesserte. Die Unternehmen klagen jedoch über Eigenkapitalrückgang und Liquiditätsengpässe. Die privaten Haushalte sind angesichts ihrer sinkenden verfügbaren Einkommen und der Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden Monaten zurückhaltend bei Vorbuchungen für Silvesterfeiern und Urlaubsreservierungen. Die Erwartungen der gastgewerblichen Betriebe für die kommenden zwölf Monate sind deshalb sehr negativ.

Die Personalsituation ist nach wie vor sehr angespannt. Mehr als jedes zweite Beherbergungsunternehmen kann aktuell Personalausfälle nicht mehr durch neue Mitarbeiter kompensieren. Bei den gastronomischen Einrichtungen sind es sogar 64 Prozent, die offene Stellen nicht besetzen können.

Zusammenfassung und Ausblick

  • Die wirtschaftliche Lage der Unternehmen wird getragen von einer guten Auslastung. Es gelingt vielen Unternehmen, Preissteigerungen bei Vorprodukten, Betriebs- oder Arbeitskosten an die Kunden weiterzugeben. Dort, wo die Unternehmen Kostensteigerungen nicht weiterreichen können, verschlechtert sich die Finanzlage und die Unternehmen leiden unter Liquiditätsengpässen und einem Rückgang an Eigenkapital.
  • Die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate sind aus Angst vor einem Energiemangel, unbezahlbaren Energiepreisen und der Unsicherheit über gegensteuernde Regelungen seitens der Politik auf ein Allzeittief gefallen. Die Politik ist gefordert, schnellstmöglich für Klarheit und Entlastung der Unternehmen zu sorgen. Ungebremste Energiepreise würden die Inflation weiter in die Höhe treiben. Es wäre dann zu befürchten, dass die stark vom Konsum abhängige regionale Wirtschaft einen stärkeren Wachstumseinbruch erlitte als die Wirtschaft im Bundesdurchschnitt.
  • Die Energiekrise wird das Wachstum der Region nicht nur kurzfristig, sondern vor allem auch mittelfristig reduzieren. Sie veranlasst die Unternehmen, im großen Maßstab geplante Investitionen zurückzustellen und geringere Investitionsausgaben zu planen. Mögliche Steigerungen der Effizienz werden nicht angegangen, der Umsetzung von Produktinnovationen weniger Raum gegeben oder wichtige Investitionen in den Umweltschutz unterlassen.
  • Trotz der stark negativen Geschäftserwartungen benötigen viele Unternehmen dringend neue Arbeitskräfte. Sie suchen ohne Erfolg vor allem Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Die Politik muss auf eine weitere Stärkung der dualen Ausbildung hinwirken.

www.neubrandenburg.ihk.de

Auch interessant …